Dennis Russell Davies und seine Frau Maki Namekawa haben ihre Trilogie der Einspielung von Strawinsky-Balletten vollendet. Als Klavierduo geben sie im Sommer ein Konzert bei den Salzburger Festspielen.
crescendo / Festspielguide 2016/17
Kann man Liebe eigentlich hören? Trifft man Dennis Russell Davies und seine Frau Maki Namekawa, ist das Liebes- vom Musikerpaar kaum zu trennen. „Wir leben zusammen und wir musizieren zusammen – das ist wunderschön und ich liebe es, mit Maki zu spielen“, sagt Davies. „In Wirklichkeit hat er Angst vor mir“, sagt diese da grinsend und bricht in Gelächter aus. Seit über zehn Jahren musizieren die beiden miteinander, beinahe ebenso lange sind sie ein Paar, mittlerweile sind sie verheiratet.
Einmal ist da das Klavierduo Russell-Namekawa, die klingende Fusion zweier begnadeter und kluger Musikerpersönlichkeiten, faszinierend homogen im Zusammenspiel und einnehmend in seiner kraftvollen wie sensiblen Durchdringung komplexer Strukturen. Und dann sind da zwei Charaktere, die augenscheinlich sehr unterschiedlich sind.
Dennis Russell Davies: ein kritischer Denker, der sorgsam seine Worte wählt, die Arme verschränkt, die Stirn in Falten, um den Mund ein verschmitztes Grinsen. Seit 2002 ist er Chefdirigent des Linzer Brucknerorchesters und bis zum Ende der Saison 15/16 zudem Chefdirigent des Sinfonieorchesters in Basel.
Maki Namekawa: eine quirlige Frau, die gerne lacht und ihre Sätze mit lebhafter Gestik begleitet, deutlich jünger als Davies und eine ausgezeichnete Pianistin mit Faible für zeitgenössische Kompositionen.
Kennengelernt haben sich die beiden 2005, als beim Klavierfestival Ruhr das „Ballet Mécanique“ von George Antheil aufgeführt wurde. Namekawa spielte Klavier, Davies dirigierte, der Kontakt blieb und irgendwann haben sie dann auch vierhändig miteinander gespielt. „Und dann wurde es gefährlich“, erzählt Davies und lacht. Für ihn, der als Dirigent vor allem mit Orchestern und als Pianist überwiegend kammermusikalisch gearbeitet hatte, war das vierhändige Spiel eine spannende und reizvolle neue Erfahrung, eine „sehr intime Sache“, die eine ganz besondere Intensität mit sich bringt.
Nun haben Dennis Russell Davies und Maki Namekawa als musikalisches Duo eine besondere Trilogie vollendet – eine Einspielung von Strawinskys Balletten „Le sacre du printemps“, „L’Oiseau de feu“ und „Petrouchka“, Die ersten beiden Aufnahmen sind bereits erschienen, „Petrouchka“ wird Anfang Juni veröffentlicht. Das Besondere daran: Die Schlüsselkompositionen Strawinskys sind auf den Alben jeweils sowohl in der Orchesterfassung mit dem Sinfonieorchester Basel unter der Leitung von Davies zu hören als auch in der Fassung für vier Hände, gespielt von Davies und Namekawa. Während die Orchesterversion überbordend farbig, schillernd und dicht instrumentiert erklingt, führt die Reduktion der Stimmen und der Klangfarben auf jene des Klaviers zu einem schlanken, prägnanten und unmittelbar packenden Hörerlebnis. Die Struktur von Strawinskys Kompositionen liegt bloß und der musikalische Inhalt kommt stark und pur zum Tragen. Dennis Russell Davies, der die vierhändige Version vom Feuervogel selbst arrangiert hat, während jene für das Frühlingsopfer und Petrouchka bereits von Strawinsky komponiert wurden, vergleicht diese Wirkung mit jener von Nacktheit. „Die Instrumentierung bei der Orchesterversion ist wie die Kleidung beim Menschen. Sie wärmt ihn nicht nur, sondern hat auch eine eigene Aussage. Doch ist der Mensch nackt, hat das eine ganz eigene Intensität. Genauso ist das bei der Version für Klavier.“ Als Dirigent hat er zu den Stücken von Strawinsky einen ganz besonderen Zugang: „Ich komme klar vom Orchester her, wenn ich diese Stücke spiele. Ich weiß, was möglich ist und wie ein Orchester klingen kann“. Dieses Wissen hat er in die gemeinsame Erarbeitung der Stücke eingebracht, außerdem hat sich das Duo Aufnahmen mit Strawinsky selbst angehört und Ballettaufführungen angesehen. „Da ist so viel Dynamik, so viel Dramaturgie enthalten in der Musik…man muss sie vom Tanz her begreifen“, sagt Namekawa. Jedes der Werke erzählt eine Geschichte und diese galt es, mit vier Händen zu erzählen: sensibel, dramatisch und spannungsvoll. Für das Paar bedeutete das harte Arbeit, ungemein fordernd und beglückend zugleich. Akribisch und kompromisslos haben sie den Kern der Musik freigelegt, nicht immer waren sie anfangs einer Meinung und gerade das war bereichernd. „Über manche Stellen haben wir sehr diskutiert“, erzählt Davies. „Das kann manchmal heftig werden“ und „Le sacre du printemps“ hätten sie zwischenzeitlich liebevoll in „Kampf um das Pedal“ umgetauft. Der Kraftakt hat sich gelohnt: Das Ergebnis ist beeindruckend und gewährt einen faszinierend neuen Blick auf die Kompositionskunst Strawinskys.
In der Ehe ist es wie in der Kammermusik – das hat den beiden ein Freund bei ihrer Hochzeit mit auf den Weg gegeben. Mittlerweile erleben sie das tatsächlich so. „Ich versuche immer, seine innere Stimme zu hören – in der Musik und in unserer Ehe“, sagt Namekawa, blickt zu ihrem Mann und reibt die Finger zart aneinander. Dabei zählten häufig weniger die gesprochenen Worte als die feine Wahrnehmung des anderen und die Offenheit füreinander. „Es geht darum, zuhören zu können und zu wollen“, fügt Davies an, ob man nun zusammen Musik macht oder miteinander das Leben teilt.
Kann man die Liebe also wirklich zum Klingen bringen? Hört man in ihrem Spiel, dass sie ein Paar sind? Davies legt nachdenklich den Kopf zur Seite und faltet die Hände, Namekawa lacht fröhlich und nimmt einen Schluck Tee. „Das Vertrauen zwischen uns ist sehr groß“, sagt Davies schließlich und schickt seiner Frau ein feines Lächeln. Damit ist alles gesagt. Den Rest kann man hören.
Dorothea Walchshäusl